HILDE DOMIN
Das Leben der Lyrikerin Hilde Domin umspannte fast das gesamte 20. Jahrhundert. Als Jüdin mit dem Namen Hildegard Löwenstein 1909 in Köln geboren, markierte die Nazi-Diktatur für sie einen tiefen biographischen Einschnitt und führte sie für viele Jahre ins Exil. Zunächst nach Italien, wo sie den Archäologen Erwin Walter Palm heiratete, dessen Namen sie annahm. Das Paar flüchtete anschließend nach Großbritannien und dann in die Dominikanische Republik. Dort arbeitete Hilde Palm als Übersetzerin spanischer Lyrik, Deutschlehrerin sowie als Lektorin und Assistentin für ihren Ehemann. 1951 begann sie, Gedichte zu schreiben, allein bis 1953 entstanden etwa 200 Texte. Der erste Band mit dem Titel „Nur eine Rose als Stütze“, das eines ihrer bekanntesten Gedichte werden sollte, wurde 1959 unter dem Namen „Hilde Domin“ veröffentlicht, den sie ihrer Exilheimat entlehnt hatte. Hilde Domin remigrierte 1954 nach Deutschland und lebte von 1961 bis zu ihrem Tod 2006 in Heidelberg. Ihre Gedichte handeln von Eindrücken des Exils, dem Verlust von Sprache und Identität sowie von der ambivalenten Erfahrung der Rückkehr nach Deutschland. Hilde Domin wurde oft als „Dichterin des Dennoch“ beschrieben, so etwa im Titel der Biographie von Ilka Scheidgen, da das „Dennoch“ als Wort oder Idee in ihren Gedichten oft vorkommt. Diese thematisieren nicht nur Entwurzelung, Verzweiflung und Verletzlichkeit, sondern ebenfalls Trost, Hoffnung und die Erfahrung eines existenziellen Aufgehobenseins in der Sprache und damit in der Welt: „Irgendwann war ich zuhause und auch gut zuhause. Davon lebe ich das Leben lang. Das war in Köln, in der Riehler Straße. Dort haben mich meine Eltern mit dem Vertrauen versorgt, dem Urvertrauen, das unzerstörbar scheint und aus dem ich die Kraft des ‚Dennoch‘ nehme.“ (zitiert nach: Ruth Klüger: Nachwort, in: Hilde Domin, Sämtliche Gedichte, hg. von Nikola Herweg und Melanie Reinhold, Frankfurt a.M. 2009)
Gesa Finke
Vier Vertonungen ihres Gedichtes Es gibt Dich werden als Uraufführungen beim abschließenden Finale des Kammerchorfestivals am Sonntag, den 28.09.2025 zu Gehör gebracht.
Es gibt dich
Dein Ort ist
wo Augen dich ansehen.
Wo sich Augen treffen
entstehst du.
Von einem Ruf gehalten,
immer die gleiche Stimme,
es scheint nur eine zu geben
mit der alle rufen.
Du fielest,
aber du fällst nicht.
Augen fangen dich auf.
Es gibt dich
weil Augen dich wollen,
dich ansehen und sagen
daß es dich gibt.
Hilde Domin
(c) Mit freundlicher Genehmigung der S. Fischer Verlag GmbH